Vorträge zur Geschichte der Oper
Die Oper - Ein Missverständnis. Geschichte des Musiktheaters von 1597 bis heute
Als ein paar kluge Männer im Florenz von 1590 das erfunden haben, was wir heute „Oper“ nennen, haben sie nicht im Traum daran gedacht, eine neue Kunstgattung ins Leben zu rufen. Die Männer in Florenz – Dichter, Komponisten, Mäzene – wollten lediglich das, was in der Renaissance alle wollten, ja, was das Wesen der Renaissance überhaupt ausmacht: die griechische Kunst wiederbeleben. Man dachte intensiv darüber nach, wie wohl damals die Tragödien der „alten Griechen“ aufgeführt worden sind und kam zu dem Ergebnis, dass Euripides und Sophokles in einer gehobenen Sprechweise, also in einer Art Gesang präsentiert wurden. Dieses wollte man wiederbeleben, mehr nicht. Dass die Herren in Florenz damit einem Irrtum aufgesessen sind, ist inzwischen bewiesen. Aber die neue Kunst, die man um 1600 dann erst einmal „dramma per musica“, Drama „mit/durch/für“ Musik nannte, fand solchen Zuspruch, dass man sie bis heute nicht missen möchte. Die „Oper“, wie wir nun sagen, ist ja auch die umfassendste aller Künste geworden, denn sie vereinigt Musik, Text, Malerei, Architektur, Kostümwesen, Beleuchtung und Maschinerie zu einem großen Ganzen, das den Geist des Menschen in nicht endende Herausforderungen führt. In den gut vierhundert Jahren seit den Anfängen in Florenz hat sich die Oper stark verändert, sie wurde geprägt von Komponisten wie Monteverdi, Händel, Mozart, Rossini, Verdi und Wagner bis zu Puccini, Richard Strauss und Henze und Reimann in heutiger Zeit. Der Vortrag erklärt, wozu man Oper braucht, wie sie funktioniert, was die Komponisten bezweckt haben und auch, dass Oper zwar Geld kostet, dass dieses Geld aber im Hinblick auf den Kosten/Nutzen-Faktor mehr als sinnvoll investiert ist.
Mythen der Menschheit I: König Artus und die Ritter der Tafelrunde in der Musik
König Artus und seine Ritter regen die Menschen seit dem 6. Jahrhundert zu immer neuen literarischen, musikalischen oder filmischen Kunstwerken an, die King-Arthur-Tourismus in Cornwall blüht mehr denn je, und 2004 brachte mit einem neuen hollywood-Blockbuster einerseits, mit der witzig-frechen Purcell-Inszenierung in Salzburg andererseits neues Interesse an der im Wortsinne sagenhaften Gestalt. Wie stand Wagner zu dem Stoff, was fließt bei ihn ein von dem gewaltigen Legendenschatz um die Ritter der Tafelrunde? Dieser Frage geht Sabine Sonntag in ihrem Vortrag nach.
Mythen der Menschheit II: Der trojanische Krieg in der Musik
Die Helden der Troja-Sage haben Komponisten ohne Zahl zu musikalischen Werken inspiriert. Die Zahl ist unüberschaubar, aber man kann mit Sicherheit sagen, dass es weit mehr als 1000 Opern, Ballette, Oratorien und Schauspielmusiken rund um Achill, Odysseus, Helena und Paris oder Agamemnon gibt. Richard Strauss schrieb Elektra, Gluck die beiden Iphigenie-Opern und Paris und Helena, Aribert Reimann Troades, Händel Deidamia und der englische Komponist Sir Michael Tippett König Priamus, um nur einige ganz wenige zu nennen.
Mythen der Menschheit III: Die Kreuzritter in der Musik
In diesem dritten Teil der Mythen-Reihe geht es um die Kreuzritter im Heiligen Land. Vor allem Torquato Tasso hat mit seinem Epos Das befreite Jerusalem die Basis für Dutzende musikalischer Werke vor allem über Armida und Tankred geschaffen. Der Vortrag präsentiert Armida-Opern von Lully, Gluck, Haydn, Vivaldi, Jommelli, Rossini und Dvorak, den Combattimento di Tancredi e Clorinda von Monteverdi und die beiden Kreuzfahrer-Opern I Lombardi von Verdi und Il crociato in Egitto von Meyerbeer. Zur Sprache kommen aber auch Werke, die sich auf den Orlando furioso von Ariosto beziehen, also z.B. Fierrabras von Schubert oder Esclarmonde von Massenet.
Mythen der Menschheit IV: „Ein Spiegel unseres Lebens“. Märchen in der Musik
Schwanenmädchen, gute und böse Feen, Zauberer und immer wieder die seelenlose Nixe mit ihrer Sehnsucht, ein Mensch zu werden – ohne sie wären Oper und Ballett des 19. Jahrhunderts nicht denkbar. Als die Musik aufbrach, das Unterwusste und Dunkle des Menschen zu entdecken, griff sie natürlich zum Märchenbuch der Grimms, aber auch zu literarischen Märchen von Anderson und Hofmannsthal oder zur Sammlung von 1001 Nacht. Welche Art von zauberischer, magischer Musik dabei entstanden ist, ist Gegenstand des Vortrags. Im Fokus stehen dabei verschiedene Undine- bzw. Rusalka-Varianten, Tschaikowskys Schwanensee, die Märchenopernkomponisten Humperdinck und Siegfried Wagner und orientalische Schauplätze wie Bagdad und Peking. Dort sind die Komponisten Peter Cornelius und Giacomo Puccini zwar nie gewesen, aber sie haben die Orte dennoch musikalisch Gestalt werden lassen im Barbier von Bagdad oder in Turandot.
Der Arzt in der Oper
Auf der Bühne ist der „Halbgott in Weiß“ meist eine Witzfigur. Wie seine Fernsehkollegen wirft er mit unverständlichen Fachausdrücken um sich. Arzt-Deutsch sollte besser Arzt-Italienisch heißen, denn die meisten Medizinquacksalber gibt es in der italienischen Oper, die von Haus aus ein höheres Tempo vorlegt als die deutsche, wo Krankheiten und Medikamente also noch rasanter von den Arztlippen perlen. Wenn Doktor Bartolo in Rossinis Barbier (er kann auch Notar!) und Doktor Dulcamara in Donizettis Liebestrank Sprechstunde haben, dann überschlagen sich die Noten förmlich. Französische Opernärzte sind eher skurril, wie man in Hoffmanns Erzählungen sehen kann: „Einen Arzt, einen Arzt“ – „Bin schon da!“, und Doktor Mirakel tut seine Wunder. In der deutschen Oper Doktor und Apotheker prahlen die beiden Fachrichtungen um die Wette, Beschimpfungen wie „Scharlatan“ und „Ignorant“ sind an der Tagesordnung. Nur selten sind die Ärzte böse wie in Bergs Wozzeck oder gar weiblich. Die einzige so bezeichnete "Ärztin" tritt in Wagners Tristan und Isolde auf. Schon im Mythos für ihre Heilkräfte gerühmt, kann Isolde zwar Tristans Tod nicht verhindern, ihn aber wenigstens musikalisch mit ihm sterben.
Der künstliche Künstler: Mario Lanza
Er hat nie auf einer professionellen Opernbühne gestanden und wurde doch zum Gesangsmythos für Generationen. Der Italoamerikaner Mario Lanza, der eine Hand voll Schallplatten aufgenommen und in sieben Filmen stets die gleiche Geschichte vom unbekannten Sänger und seinem Weg nach ganz oben gespielt hat, war der Top-Tenor von Millionen. Wie kann das sein? Wie sind die Filme von Mario Lanza gemacht und vor allem, wie ist der Gesang dort in Szene gesetzt, so dass in The Great Caruso das Vorbild vollkommen verblasste, ja sogar Lanza als der bessere, der wahrhafte Caruso gehandelt wurde? Sabine Sonntag untersucht filmische und musikalische Methoden der Lanza-Filme, die immerhin „echte“ Opernsänger wie Plácido Domingo, José Carreras und Luciano Pavarotti dazu veranlasst haben, selbst die Sängerlaufbahn einzuschlagen. Mario Lanzas Gesangsfilme entstanden zwischen 1948 und 1959, zu einer Zeit also, in der auf den Bühnen wenig Wert auf optische Glaubwürdigkeit gelegt wurde, ein Defizit, das als solches aber allmählich zutage trat. Der Leinwand-Tenor wurde zur Traumfigur, der die Opernhäuser (noch) nichts entgegen zu setzen hatten. Auch die Karriereverläufe der fiktiven Sängerpersönlichkeiten in Lanzas Filmen und nicht zuletzt sein Tenor-Repertoire, das dort in verträglichen Dosen verabreicht wird, sind einen Blick wert und damit Gegenstand der Untersuchung.
Die Kanaille heißt Francesco: Friedrich Schiller und die italienische Oper
Die Bayerische Staatsoper spielt ab März 2020 Giuseppe Verdis selten zu hörende Vertonung von Schillers Die Räuber. I Masnadieri heißt das Werk dann, Carlo ist der Gute, und „Francesco“ heißt die Kanaille. Sabine Sonntag wird diese Schiller-Oper zum Anlass nehmen, um über die Vorliebe italienischer Komponisten für gerade diesen deutschen Dichter zu sprechen. Verdi hat außer den Räubern auch die Jungfrau von Orleans, Kabale und Liebe und Don Carlos vertont, der übrigens im Mai 2020 in einer hochkarätigen Besetzung in München gespielt wird. Aber auch alle anderen großen Italiener haben sich Schillers angenommen: Rossini mit Wilhelm Tell, Donizetti mit Maria Stuart und schließlich Puccini mit Turandot. Sabine Sonntag wird, wie immer unterstützt durch viele Film- und Musikbeispiele, die Frage stellen, was die Komponisten an Schiller gereizt hat und ob nicht seine Dramen geradezu perfekt für eine Veroperung geeignet sind.
Die Geschichte der Operette
Heute wäre es Kabarett, was Jacques Offenbach um 1855 herum in Paris erfunden hat. Eine Parodie auf die herrschenden politischen und theatralischen Zustände im Paris des Zweiten Kaiserreichs. Die Helden in Offenbachs Operette hießen Jupiter, Menelaos und schöne Helena, aber alle wussten, dass einerseits die Auswüchse der Grand Opéra auf die schippe genommen werden sollten und andererseits die Grandeur Napoleons III. Über Offenbach kam die Operette dann nach Wien, London und Berlin. Sabine Sonntag zeichnet in ihrem Vortrag diesen Weg nach.
Die Geschichte des Musicals
Eigentlich ist das amerikanische Musical eine europäische Angelegenheit gewesen. Denn das Musical verdanken wir der Tatsache, dass zu Beginn des 20.Jahrhunderts viele Komponisten aus Europa vertrieben wurden und in Amerika eine oft sogar dauerhafte neue Heimat fanden. Sie nahmen ihre Musik mit, verschmolzen sie mit nationalen Traditionen wie Musical Comedy, Negrospirituals und später Jazz, und auf diese Weise entstand ein neues Genre. Seine Geburtsstunde kann man ziemlich genau auf 1927 datieren, dem Jahr der Uraufführung von Jerome Kerns Show Boat. Als kurz darauf der Tonfilm erfunden wurde, verband sich das neue Musiktheater mit diesem Genre und erlebte einen unglaublichen Triumph, der bis heute vor allem in den Musicalzentren New York, London und Wien anhält.
Die Musikstadt Wien
Man könnte sagen, im 17. Jahrhundert war Venedig die wichtigste Musikstadt der Welt, im 19. War es Paris, aber im 18., dem Jahrhundert Mozarts, war es eindeutig Wien. Hier wirkten die Komponisten der Neapolitanischen Schule, hier begann Gluck mit seiner Opernreform, die von Mozart fortgesetzt wurde, und hier wurde in der Sinfonik und Kammermusik mit der Ersten Wiener Schule Haydns, Mozarts und Beethovens ein neues Kapitel der Musikgeschichte aufgeschlagen.
Weihnachten in der Musik
Wie hat eigentlich Giuseppe Verdi Weihnachten gefeiert? Und wie Richard Wagner, dessen Frau zudem am 25. Dezember Geburtstag hatte? Was hat man geschenkt, was kam auf den Tisch? Und dann: In welchen Opern wird Weihnachten gefeiert? Schließlich: Wie klingt es, wenn Luciano Pavarotti die stille Nacht als „Astro del ciel, Pargol divin“ besingt und Carlo Bergonzi mit „O albero eternamente verde“ – dem Tannenbaum huldigt, der nicht nur zur Sommerzeit grünt.
Japan und die Oper
Dass Japan und Oper gut zusammenpassen, weiß man seit Madame Butterfly. Der Komponist ist jedoch Italiener, und sein Hauptinteresse liegt darin, welches Unheil Amerikaner unter Japanern anrichten können. Auch andere europäische Komponisten haben sich für den Exotismus des Fernöstlichen interessiert, Mascagni und Saint-Saens z.B. Aber es gibt auch zahlreiche japanische Komponisten, die Opern komponieren. Sabine Sonntag beleuchtet in diesem Vortrag beide Richtungen: Japan als Thema der europäischen Oper und die japanische Oper in Japan und im Ausland. Sabine Sonntag, die selbst vor einigen Jahren an der Oper von Tokio gearbeitet hat, schildert auch die Gegebenheit des japanischen Opernbetriebes.
Schlesische Romantik – Musikalische Randbemerkungen zu den Dichtern E.T.A. Hoffmann und Joseph von Eichendorff
Sabine Sonntag stellt zwei Dichter vor, deren Schaffen mit Schlesien in Verbindung stehen: E.T.A. Hoffmann (1776 – 1822) und Joseph von Eichendorff (1788 – 1857). Beide sind für die Musik und die Epoche der Romantik von unschätzbarem Wert. Eichendorffs Gedichte wurden mehr als 5000 mal vertont und bilden einen Höhe- und Endpunkt der deutschen Romantik, Hoffmann steht dagegen am Anfang dieser Epoche, wobei bei ihm besonders interessant ist, dass er der erste „Gesamtkunstwerker“ ist, der nicht nur Dichter, sondern auch Komponist und Maler war. Alles aus „einer Hand“ – die Musik, der Text und das Bühnenbild –, das ist typisch für die deutsche romantische Oper, die genau mit dieser Methode schließlich von Richard Wagner zu ihrem Abschluss geführt wurde. Hoffmann war mehrmals in Schlesien, Erlebnisse hier flossen verschlüsselt in seine Werke wie „Der Sandmann“ ein, Eichendorff stammte aus Schlesien, kehrte immer wieder in seine Heimat zurück und starb auch hier. Der Vortrag wird also zwei Varianten des Blickes auf Schlesien vorstellen, den „von außen“ und den umgekehrten und mit vielen Musik- und Filmbeispielen der Frage nachgehen, wie sich das Thema Schlesien in der Kunst widerspiegelt.